- Entwurf -



 

Ralph Boes                                                                                        Berlin, den 10.03.2013

xxxxxxxxxxxxxx

13357 Berlin

 

Tel.:
Email:

030 - 499 116 47

ralphboes@freenet.de

       

 

Ralph Boes,   Spanheimstr. 11,   13357 Berlin    aa

*BG 955A123521*   aa

   aa

 

JobCenter Berlin Mitte                                                  

- Frau Xxxxxxx, Team XXX -

Sickingenstr. 70-71

10553 Berlin

 

 

 

Kundennummer: BG 955A123521

 

 

 

Sehr geehrte Frau Xxxxxxx ,

 

 

nach reiflicher Überlegung haben wir uns entschlossen, die geforderte Auflistung meiner Aktivitäten des zweiten Halbjahres 2012 nun doch NICHT beizubringen.

 

Die Gründe, die GEGEN eine Auflistung sprechen, sind im vorigen Brief genauestens dargelegt.

Die Gründe, die FÜR eine Auflistung sprechen könnten, sind demgegenüber zu schwach.

Sie würden nur einen Aufschub der Sanktionen aber keine Klärung der Verhältnisse bewirken.

 

Da das Gesetz Sie jetzt vermutlich dazu drängen wird, aus der Rolle der gutwilligen „Arbeitsvermittlerin“ in diejenige der strengen Sanktionärin zu wechseln, möchte ich ein paar Worte anfügen.

 

Laut Gesetz sind Sie jetzt zu meiner „Erzieherin“ gemacht.

Laut Dienstanweisung ihres Amtes (s. Anlage, dort Kap.2), soll es sich bei den Sanktionen ja nicht um eine „Bestrafung“, sondern um eine „Erziehungsmaßnahme“ handeln, um eine Erziehungsmaßnahme, die den „Kunden“ – meist übrigens zu seinem eigenen Schaden! – an den durch die Politik und Wirtschaft neu hergerichteten und immer mehr OHNE BEZAHLUNG funktionieren sollenden (!) „Arbeitsmarkt“ anpassen soll.

 

Dabei treten verschiedene Probleme auf:

 

Erstens können Sie nicht meine „Erzieherin“ sein – auch wenn der sog. „Gesetzgeber“ das noch so gerne hätte. Schon als Kind kam es mir immer irgendwie verdächtig vor, wenn „Erziehung“ mich entmündigen und mich von außen – sei es durch Bestrafung oder auch durch Belohnung (!) – irgendwohin zwingen oder aber auch verführen (!) wollte. Beides führt vom rechten inneren Wege ab.

 

In gesunden menschlichen Verhältnissen vollzieht sich Erziehung als SELBSTERZIEHUNG! Wenn ich einem Menschen begegne, der mich beeindruckt, der mir dadurch zum VORBILD wird, dann strebe ich dem, was er verkörpert, nach. Ich erziehe mich dadurch SELBST.

 

SELBSTERZIEHUNG ist die einzige akzeptable, dem Menschenwesen zugehörige, zu Freiheit und Mündigkeit führende Weise der Erziehung. Dies übrigens schon von frühester Kindererziehung an. Schon das sich Aufrichten, das Sprechen- und Denken-Lernen vollziehen die Kinder in Selbsterziehung am Vorbild der Erwachsenenwelt selbst.

 

Jede andere Art "Erziehung" ist von Übel und erzeugt Verhältnisse, wie wir sie in der Vergangenheit genügend hatten.

 

Die Art, wie Sie in einer Weise, die der menschlichen Erziehung widerspricht [1], zum „Volkserzieher“ gemacht werden und selbst zu Vasallen gemacht [2] nun auch bei uns Gehorsam und Unterwürfigkeit erzeugen sollen, zeigt, dass es bei der Erstellung des Gesetzes nicht um Achtung und Schutz der Unverletzlichkeit der Menschenwürde (Art. 1 GG) und nicht um die freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 GG) ging.

 

Zweitens sollen Sie uns in Arbeitsverhältnisse hinein „erziehen“, die, ich habe es oben schon angedeutet, durchaus GEGEN unsere Interessen sind – sonst müssten Sie uns ja nicht „erziehen“! – und immer mehr auch OHNE BEZAHLUNG funktionieren sollen (womit Art. 12 GG: "Recht auf freie Berufswahl, Verbot von Zwangsarbeit" außer Kraft gesetzt ist).


So, wie SIE es treiben (müssen), tritt das Paradoxon auf,

dass Sie zwar MEINE Arbeit am Maßstab des Erwerbes bemessen sollen, dass die VON IHNEN VERMITTELTE ARBEIT aber selbst oft/meist NICHT mehr den „Erwerb“ zum Ziele hat. Wie viele Menschen vermitteln, bzw. pressen Sie in „Maßnahmen“, die alles Mögliche, aber kein Geld erbringen!

 

Drittens übersehen Sie/übersieht der Gesetzgeber geflissentlich, dass der Staat höchstselbst die Arbeitslosigkeit erzeugt, die er per Hartz IV dann wieder „abzuschaffen“ vorgibt.

 

Maschinenarbeit und Rationalisierung werden VOM STAAT GEFÖRDERT!!
Wenn ein Unternehmer Maschinen anschafft, wird er staatlicherseits hofiert. Er kann die Kosten von der Steuer absetzen. Dasselbe gilt von seinen Investitionen in China.

 

Des Weiteren wird von Maschinenarbeit, obwohl sie ein gewaltig gesteigertes Arbeitspensum leistet und die menschliche Arbeit inzwischen gigantisch übersteigt, keinerlei Steuer oder  Sozialversicherung erhoben...

 

Man stelle sich das Umgekehrte vor: Eine Maschine, die für 500 Menschen arbeitet, müsste Steuern und Sozialversicherung für 500 Menschen zahlen. Die menschliche Arbeit würde demgegenüber von Steuern und Sozialversicherung befreit: Wir hätten sofort wieder „Vollbeschäftigung“, weil menschliche Arbeit sofort sehr billig und Maschinenarbeit sehr teuer wäre.

 

Viertens gilt, dass neben alledem besonders Hartz IV ein Mittel ist, die Möglichkeit zur Erwerbs-arbeit in großem Stile abzuschaffen!:

-

Wie viele Arbeitgeber haben ihr altes Personal entlassen, um es, durchs Jobcenter „erzogen“, als Billiglöhner, Leiharbeiter oder vollständig staatlich subventioniert wieder zu erhalten?

-

Wie viele Unternehmer sind inzwischen Pleite, weil ihnen bei der durch Sie betriebenen Verarmung des Volkes zunehmend die Kunden fehlen?

-

oder weil die "Großen" der Branche, was die kleineren nicht können oder wollen, nur noch auf die von Ihnen hergerichteten Billiglöhner setzen?

-

Und wie viele Menschen vegetieren in Maßnahmen, die sie auf ewig vom sog. „ersten Arbeitsmarkt“ abscheiden, statt sie dorthin zurückzuführen?

Während Maschinen den Untergang der „Arbeit“ (in altem Sinn verstanden) bewirken, fördert Hartz IV den Untergang der Möglichkeit, durch Arbeit einen Erwerb zu erzielen! Man zwingt uns durch Hartz IV, auf anständige Arbeitsbedingungen und auf Löhne ZU VERZICHTEN.

 

 

Sehr geehrte Frau Xxxxxx –

 

die von Ihnen/Ihrem Amt/dem Gesetzgeber so hoch besungene „Erwerbsarbeit“ ist FAKTISCH längst besiegelt. Nun einseitig uns Freigestellte weiter unter den ZWANG der „Erwerbsarbeit“ zu setzen, uns massenhaft zu sanktionieren, wenn wir Ihren allseits unausgegorenen und widersprüchlichen Forderungen nicht mehr nachkommen können oder wollen,
während der Staat

-

die Arbeitsmöglichkeiten durch subventionierte Rationalisierung und die sog "freien Märkte" flächendeckend abschafft [3]

und SIE und IHR AMT durch Ihre Mittel nichts tun

-

als zusätzlich die Erwerbslosigkeit zu befördern, die sie zu beheben vorgeben

-

während Sie selbst schon lange resigniert die Menschen aus der Statistik herausrechnen - nicht zuletzt auch dadurch, dass sie sie frühberenten, krankschreiben lassen und massenweise in unbezahlte Beschäftigungsmaßnahmen stecken; seit neuestem auch dadurch, dass Sie sie mit Eiseskälte immer mehr in Hunger und in die Obdachlosigkeit hinein treiben, usf.

ist grober Unfug. Sie geben da nur den "schwarzen Peter", der in IHREN Kreisen längst zu einem Umdenken hätte führen müssen, an uns Freigestellte weiter.

  

Ich reiche also die von Ihnen geforderte Auflistung bewusst nicht ein.
Dabei bitte ich Sie, sich „bei der Entscheidung über eine Sanktion“ genau so, wie es das Gesetz erfordert, „ausschließlich an der Rechtslage zu orientieren“ (s. Anlage, Kap 5).

Denn ich möchte, dass das Problem nicht länger verzögert oder in Hinterzimmern abgehandelt wird, sondern möglichst schnell zum Gericht und zum Gesetzgeber kommt.


Außerdem möchte ich nicht der Bildzeitung (die heute schon wieder für eines ihrer zweifelhaften Interviews bei mir angerufen hat) und dem Focus sagen müssen, dass Sie Angst haben, ein so vorzügliches Gesetz, wie es unser weitblickender Gesetzgeber mit Hartz IV verabschiedet hat
[4], in meinem Falle anzuwenden. Vor dem Hintergrund jahrelangen Ignorierens meiner freiberuflichen, selbständigen und vollzeit-ehrenamtlichen Tätigkeit, vor dem Hintergrund falsch verhängter Sanktionen im November und anschließenden bewussten Übergehens all meiner weiteren Selbstanzeigen und Verweigerungen, stünden Sie mehr als lächerlich da.

 

LEX BOES war gestern!

Wir Freigestellte wollen nicht länger Opfer unausgegorener Vorstellungen sein.


Mit freundlichem Gruß,

Ralph Boes


 


[1] In der Erziehung von Tieren mag sie gelten: In der Hundeerziehung z.B. - sind Belohnung und Bestrafung m.E. angemessen! Es ist dort nicht mit Einsicht und mit aus Einsicht erfolgender Freiwilligkeit und Selbsterziehung zu rechnen.

[2] s. Anlage, Kap 5: Dort werden Sie im 4. Satz vollständig von der eigenen Verantwortung entbunden.

[3] Durch bedingungsloses Grundeinkommen könnte wieder Vollbeschäftigung erreicht werden - aber Vollbeschäftigung in Freiheit, statt dass man Sklavenheere schafft. Um das zu verstehen müssten Sie mich allerdings einmal zum Thema anhören ...

[4] ... immerhin soll der Unsinn ja jetzt sogar in ganz Europa verbreitet werden! ...