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01.08.2015

32.ster Hungertag

 

 

Würde oder Leben ...

Bericht von der Beantragung von Lebensmittelgutscheinen

Ein besonderes Erlebnis im Jobcenter

 

 

Auf Grund der wunderbar abgründigen Einladung vom Jobcenter sind wir gestern zur Beantragung von Lebensmittelgutscheinen gegangen.

 

Schon die Wächter an der Türe waren auf uns vorbereitet:

Bevor ich irgendetwas sagen oder die Einladung vorweisen konnte, wurde ich sofort mit Namen begrüßt und mir wurden auch direkt Zimmer und Zeitpunkt des Gesprächs genannt.

 

Im Zimmer ging es dann zur Sache.

 

Die Strategie des Jobcenters war ganz einfach:

1.)

Beantrage ich die Gutscheine, wie vom Jobcenter angeboten – sind zwar meine Würde und meine Integrität vernichtet –

(Betteln beim Sanktionierer höchst persönlich, entwürdigendes Gutschein-Einlösen beim Kauf von Lebensmitteln, Anerkenntnis der verfassungswidrigen Machtstellung des Jobcenters usw. usf.)

ich verhungere zwar nicht und lebe weiter – aber das Jobcenter ist so aus der Verantwortung heraus.

2.)

Beantrage ich die Gutscheine NICHT, bin ich aus Sicht des Jobcenters ein Sturkopf – und "selbst Schuld", wenn ich sterbe! Aber das Jobcenter ist ebenfalls aus der Verantwortung heraus. Schließlich hat man mir ja ein so verlockendes Angebot gemacht.

 

Es war war eine volle Schachmatt-Situation für mich gegeben.

 

Nachdem ich dieses Szenarium, mit Hinweis auf die Menschenrechts- und Verfassungswidrigkeit eines derart perfiden amtlichen Handelns, sauber mit den Mitarbeitern des JC`s herausgearbeitet hatte
– im Sinne der Verfassung und der Menschenrechte könne es ja nicht um eine Entscheidung zwischen "Leben ODER Würde" sondern nur um ein "Leben IN Würde" gehen  –

habe ich zum großen Erstaunen der JC-Mitarbeiter tatsächlich den Antrag auf die Gutscheine gestellt.

 

Als man mir dann einen ersten Teil der Scheine ausgestellt hatte (die übrigen werden nächste Woche an mich verschickt), fasste ich das Entwürdigende der damit für mich bestehenden Situation, die damit SELBST VON MIR VOLLZOGENE Vernichtung meiner Würde und den Sieg des Jobcenters über mich dar -
um dann in aller Ruhe hinzuzufügen:
"Und jetzt zeige ich Ihnen, wie ich damit umgehe!"

 

Ich riss dann ein Stück vom ersten Gutschein ab - und begann, in zu verspeisen.

 

Diese Blicke werde ich nicht vergessen …

 

Nach einigen kritische Bemerkungen über den Geschmack des Papiers erzählte ich freundlichst weiter, dass ich jetzt jeden Abend am Brandenburger Tor eine öffentliche Speisung mit den Gutscheinen vornehmen werde. Und ließ sie mir versichern, dass man mir TROTZ dieser Aktion alle weiteren mir zugesagten Scheine noch zuschicken würde.

 

Auch die Krankenkasse, zu deren Zahlung das JC verpflichtet ist, sobald ein Antrag auf Essensgutscheine gestellt und bewilligt ist, muss das JC jetzt, Gesetz ist Gesetz, bezahlen.

 

So wurde das unverschämte, der Einladung des Jobcenters zugrunde liegende Ansinnen durch sozusagen einen Schachzug aus höherer Ebene in sein Gegenteil verkehrt.

 

 

- Das ganz Gespräch wurde noch dadurch direkt ins Groteske gesteigert, als mein Beistand, ein außerordentlich rechtsversierter Kopf, die Mitarbeiter des JC´s in fast alle Punkten korrigierte, in denen es um den Vollzug der Vorschriften des SGB II bei ihnen ging. Man wollte mir z.B. bescheinigen, dass ich einen Antrag auf Lebensmittelgutscheine gestellt hätte. – Der ganze Antrag musste von den Mitarbeitern neu geschrieben werden, da es um einen Antrag um ergänzende Sachleistungen ging und Lebensmittelgutscheine nur ein Teil der damit zu erbringenden Leistung sind.  Usw. usf.

In fast jedem Punkt, in dem die Mitarbeiter des JC´s sich im Sinne des SGB II äußerten oder tätig wurden, wurden sie von ihm korrigiert … So dass sie, während sie bei mir wie die Kaninchen vor der Schlange saßen, von ihm noch zusätzlich im Sinne der eigenen Gesetze in die Zange genommen wurden.

 

 

Ich danke M. für die unvergleichlich schöne Idee, die MEINEN Teil der Aktion prägte – und R. dafür, dass er die Mitarbeiter in tausend Punkten mit ihrer Unfähigkeit, mit ihren eigenen Gesetzen umzugehen, konfrontierte.