11.11.2012

 

In Fortsetzung meines Textes vom 06.11.2012

 

 

... Nun kann man noch fragen, warum Herr Boes, da er offensichtlich Widerspruch gegen die Sanktionen einlegt, nicht "aufschiebende Wirkung" beim Sozialgericht beantragt hat.

 

Ich möchte hier die Gründe nennen:
 

Anders als in der übrigen Welt, in der erst die Rechtsgültigkeit einer Strafe geprüft sein muss, bevor sie verhängt wird, wird die Strafe im Hartz IV-System direkt vollzogen, auch bevor und während die rechtliche Überprüfung erfolgt.

 

So muss der Hartz-IV-Empfänger seine Rechte also in schon sanktioniertem Zustand, ggf. sogar hungrig und aus der Obdachlosigkeit heraus einklagen. Entschädigt wird er erst, wenn er gewonnen hat – was Jahre dauern kann. Dann allerdings auch nur für das direkt nicht ausgezahlte Geld! Für die mit der Sanktionierung aufgelaufenen Folgekosten, wie Kosten für Stromsperren, Mahn- und Inkassogebühren, usw. tritt das Amt auch dann nicht ein. [0]

 

Wir haben hier ein weiteres Stück von Herren-Gesetzgebung gegen die Ärmsten der Gesellschaft, welches nicht zu fassen ist. Sie sollen kuschen und nicht klagen. 

 

Gegenüber der Praxis des Jobcenters, die Sanktionen sofort zu vollziehen, noch bevor ihre Rechtmäßigkeit geprüft worden ist, kann das Sozialgericht die Sanktionen aufschieben. D.h. das Sozialgericht zwingt dann das Jobcenter, entgegen seiner Praxis das Geld bis zur endgültigen Klärung der Rechtmäßigkeit der Überprüfung auszuzahlen. [1]

 

Wir haben in Hartz IV ein menschenrechts- und verfassungswidriges Gesetz, welches durch die Sozialgerichte nur "weichgespült" wird.

Politisch besehen kann man sich dadurch in Ruhe wiegen: Wenn das Gesetz auch allen Regeln der Verfassung und der Menschlichkeit widerspricht, kann man doch damit beruhigen, dass es "verfassungskonform angewendet" wird.

In der Wirklichkeit werden die Menschen aber immer mit dem bestehenden Unrechtssystem konfrontiert. Und wer nicht außerordentlich gesund ist und sich wehren kann, geht darin unter.

 

Aus Solidarität zu den Millionen von Entrechteten in Deutschland - und um auch diese weitere menschenunwürdige und grundrechtswidrige Seite des Hartz-IV-Systemes sichtbar zu machen und abzuschaffen - lehne ich die gegebene Möglichkeit ab, bis zur endgültigen Klärung der rechtlichen Gültigkeit der mich betreffenden Sanktion vor dem Sozialgericht einen Aufschub für die Geldkürzungen zu erbitten.

 

Berlin, den 11.11.2012

Ralph Boes


 


 

[0] Eine zunächst hier eingegebene Info, dass der Streitwert erst 750 Euro betragen muss, bevor er einklagbar wird, trifft erst ab der zweiten Instanz zu. Für die erste Instanz gilt diese Einschränkung nicht. Ich bitte um Entschuldigung. 

[1] Alleine schon durch diese Aussetzung der Sanktionen bis zum Erweis ihrer Rechtsgültigkeit beweist das Sozialgericht täglich, dass die Praxis des Jobcenters rechtswidrig ist – und dies ohne dass das für das Jobcenter oder dies es leitenden Gesetze irgend Konsequenzen hätte!  Wenn ich demgegenüber rechtswidrig handele, erhalte ich normalerweise eine Strafe.